Kapitel 08: Operation auf dem Esstisch
17. Juli 2014
Die Vorbereitungen
Am Abend bekam unser Quartett die letzten Breckies. Ab dann wurde kollektiv gefastet.
Denn der große Tag war gekommen: Hank musste endlich kastriert werden. Um 5.00 Uhr morgens fing das Geschrei an – Heulboje Hank natürlich!! Er konnte das Futter-Elend nicht fassen und musste da mal bei mir genauer nachfragen. Er sprang aufs Bett, in Begleitung von Mucki, krabbelte vor bis zu meinem Gesicht (Wahnsinn, was der sich traut!!!) und dann ging’s los. Grumiau!
Gruuuumiau ! Gruuuumia!!! GRRUUUUMIAUAU! GRUUUUUUUMIIIIAAAAAUUUUUUAAUUUU! Wow, hatte der kleine Kater ein Organ!
Mucki saß daneben und schaute auch sehr beeindruckt aus der Wäsche! Es half nur ignorieren, ignorieren, ignorieren! Ohropax noch ein Stückchen weiter ins Ohr schieben. Augen zu, nicht bewegen!
Das schaffte ich bis 6.00 Uhr! Dann sprang ich aus dem Bett, stolperte über vier sehr verärgerte Katzen bis zur Terrassentür und machte sie auf. Mein Mittel der Wahl hieß Ablenkung und Spielen!!! Ich verschwand im Bad, machte in Rekordzeit meinen Kaffee und setzte mich mit dampfender Tasse auf die Terrasse – weit weg von der Küche.
So brachte ich die nächste Stunde rum. Die Katzen gurrten sich an, hatten nur Flöhe im Popo, rasten von draußen nach drinnen und von drinnen nach draußen und waren hervorragend beschäftigt.
Tamy war so aufgekratzt, dass sie mit letztem wilden Schwung auf dem Tisch zum Stoppen kam, aufgeplustert wie ein Pfau mit doppelt so dickem Schwanz in wild gewordener Schlangenform und schaute mich leicht schielend mit ihren zweifarbigen Augen an. Ich musste so lachen, was sie gar nicht witzig fand. Schnell musste sie ihr eigentlich dünnes Rattenschwänzchen putzen, bis jedes Haar wieder so an Ort und Stelle war, wie sie sich das vorstellte.
Dann schlich ich mich aus der Haustür und überließ meinem Mann das Schlachtfeld. Er durfte das nun folgende Spektakel schließlich auch mal erleben. :-)
Der grandiose Auftritt der Tierärztin
2 Stunden später rief mich mein Mann völlig außer Atem an und schnaufte mir ins Ohr. Die Tierärztin und er hatten es geschafft und waren auch geschafft. Auch Hank hatte es hinter sich gebracht und war ab sofort nur noch beratend tätig :-).
Hier die Schilderung meines Mannes:
Erfolgreich saßen Raspi, Hank und Mucki eingesperrt in der Küche, Tamy war im Vorflur verräumt. Nach dem Öffnen der Küchentür schoss Hank raus und verschwand unter der Kommode. Nur der Popo schaute passender Weise noch ein Stückchen raus. Ehe er es kapierte, hatte die Tierärztin schon die Spritze in der Hand. So ging es auch ohne Blasrohr! fünf Minuten später schlief er tief und fest. Inzwischen war der Esstisch als OP-Tisch umfunktioniert worden und Hank verschlief seine Kastration. Zum Aufwachen kam er in die Transportbox. Gesundheitszustand ansonsten gut. Zähne ok! Ohren noch schlimm mit toten Milben verseucht, also Ohrreiniger mit Massage. Katze 1 erledigt! One down, three to go!
Die nächste Patientin war Raspi. Die durch puren ßbermut verletzte Pfote gefiel der ßrztin noch gar nicht, da Raspi immer wieder zwischen ihren Krallen herumbeisst und die Wunde wieder öffnet. Also neue Tinktur. Zähne ok. Ohren viel besser. Katze zwei erledigt! Two down - two to go!
Inzwischen war Tamy aus dem Vorflur entwischt, raste ins Wohnzimmer, versteckte sich unterm Sofa. Meine beiden Helden verschoben das Problem auf später und widmeten sich erst einmal dem sehr braven Mucki.
Seine Ohren waren etwas besser, aber auch noch schlimm. Sein Zahnfleisch war dagegen »die Katastrophe« – Mega-Mist! Die Tierärztin tippt auf Caliciviren mit einer inzwischen chronischen Erkrankung! Da mussten wir definitiv was machen! Three down, one to get!
So, und nun kam der sportliche Teil des Unterhaltungsprogramms, bei dem ich gerne Mäuschen gespielt hätte. Denn die sehr scheue Tamy, die wir bis jetzt noch nicht ein einziges Mal anlangen durften, fehlte noch. Laut meinem Mann hechteten die Tierärztin und er wie Manuel Neuer durch das Wohnzimmer, um der superschlauen und doch so viel schnelleren Tamy den Weg abzuschneiden. Wie ein weißer Blitz jagte sie durchs Wohnzimmer und vollführte die unglaublichsten Sprünge. Schließlich hatte die Tierärztin sie in die Enge getrieben. Sie triumphierte schon! Und was machte Tamy?
Anstatt aufzugeben, sprang sie mit einem riesigen Satz aus dem Stand nach oben und griff tatsächlich die Tierärztin an. Erschreckt, blutend am Fuß, an der Hand und am Ellenbogen erwischte die tapfere Ärztin dennoch unsere Panik-Lady. Mein Mann meinte, so ü¼ssen Frauen nach ein paar Runden Frauen-Catchen aussehen.
Ergebnis: Ohren auch noch schlimm. Die aufgekratzten Stellen an den Ohren mussten versorgt werden. Zähne wohl ok. Es war nur ein sehr kurzer Blick möglich. :-)
Die Tierärztin zog derangiert und verschwitzt, aber immer noch gut gelaunt wieder ab. Mein Mann war voll des Lobes!
Die Nachwehen
Heftige Aktion! Mir reichte es völlig, diese Geschichte zu hören!
Sobald es ging, raste ich nach Hause und löste meinen Mann ab. Ich sondierte die Lage. Tamy versteckte sich irgendwo – Aufenthaltsort noch unbekannt! Raspi lag völlig erschöpft auf dem Wohnzimmerboden. Muckis Hinterteil lugte noch unterm Sofa hervor, wo er Hank bewachte. Denn Hank war schon aus dem Korb befreit worden, nachdem er sich dran machte, ihn fachmännisch zu zerlegen.
Und mein Mann – naja – ehrlich gesagt, wenig ansehnlich! Verschwitzt, kaputt, erschöpft, mit noch etwas fassungslosem Gesichtsausdruck. Er brachte sich auf Vordermann und fuhr ins Büro.
Hank verließ nach einiger Zeit den Platz unterm Sofa und schwankte fürchterlich durchs Wohnzimmer. Immer wieder musste er stehenbleiben, um das Gleichgewicht zu finden. Dann stakste er mit steifen Hinterbeinen und Minischritten langsam bis zum Spielkarton. Dort legte er sich wieder hin. Mucki kam sofort hinterher und gurrte ihn leise an: – Hey, Bruder! Ich weiß genau, wie es Dir geht! Willkommen im Club der Berater! – Dann legte er sich beschützend neben Hank, ohne ihn weiter zu stören.
Wieder verging eine Stunde. Dann stand Hank nicht mehr ganz so wackelig auf, lief zielstrebig zu meinem Bett, sah mich auffordernd an und pinkelte auf die Bettdecke - nach dem Motto »Rache ist Blutwurst!« Na wunderbar! Die Waschmaschine bekam Arbeit! Dann wankte er zurück ins Wohnzimmer und suchte sich den nächsten Schlafplatz, natürlich wieder begleitet von Mucki, der über die nächste Schlaf-Runde wachte.
Pünktlich zum Mittagessen erschien gurrend unsere weiße Lady aus ihrem Versteck. Tamy knusperte Breckies, verschwand im Klo und kam schließlich immer noch gurrend mit hoch aufgerichtetem Schwanz ins Wohnzimmer. Sie kam mir vor wie auf einem Siegeszug: »Na, was hab ich Euch gesagt! Menschen sind BÖSE! Sie können uns füttern und unsere Klos sauber machen, aber ANLANGEN oder gar STREICHELN ... NIEMALS!«
Sie besprang das Piratenschiff, haute mit der Pfote auf die Piratenflagge und schaute mich herausfordernd an. Die anderen Katzenohren rührten sich jedoch nicht. Tamy erntete nur müde Blicke. Ein wenig enttäuscht zog sie wieder ab. Würden sie uns die heutige Aktion verzeihen?
Am Nachmittag wurde die Terrassentür wieder geöffnet. Die Mädels sonnten sich, schüttelten die Köpfchen und putzten gründlich ihre vermilbten Ohren. Mucki war schon wieder bereit, mit mir zu schmusen und erzählte mir von seinem schlimmen Erlebnis. Hank schlief weiterhin unterm Bett. Allerdings musste ich feststellen, dass die Deko-Afrikadecke mit einemzweiten Piesel beglückt worden war. Zum Glück war unsere Waschmaschine sehr geduldig und fleißig!